Das Kreuzigungsgemälde der Hedwig Marquardt in Biere

Frappierend modern ist die expressionistische Darstellung der Kreuzigung Jesu in Biere. Das Gemälde ist eine frühe Arbeit der Künstlerin Hedwig Marquardt, einer der ganz wenigen deutschen Frauen des Expressionismus. Sie nahm sich ohne einen Auftrag des Motivs des Gekreuzigten an und zeigt ihn zwischen einer in Schmerz ermatteten Maria und einem in Klagegestus aufblickenden Johannes. Das Gemälde wendet gewissermaßen die zur Entstehungszeit um 1912 zeitgenössische, expressionistische Formensprache auf ein breit tradiertes Bildmotiv an.

Die in sich gekehrte Maria und der in Fassungslosigkeit aufblickende Johannes wenden sich vom Bildbetrachter ab, sind ganz auf den am Kreuz Leidenden gerichtet. Dieser wiederum dominiert in geradezu herausfordernder Frontalität die Bildfläche und weist mit hieratischem Blick über ebendiese Bildfläche und über sich selbst hinaus.

Das Leinwandgemälde war im Vorzustand durch unsachgemäße Lagerung nicht nur in der ästhetischen Wirkung, sondern substantiell gefährdet. Es war beidseitig stark mit Staub, Spinnweben, Putzgranulat und Sand verschmutzt, wies in weiten Teilen Schimmel und leider auch Schädlingsbefall auf. Feuchtigkeit und Nässe bei der ungünstigen Lagerung, vormalige Transportschäden aber auch der liturgische Kontext (Wachsflecken) hatten dem Bild sehr zugesetzt.

In dem großflächig gearbeiteten Bereich des Himmels puderten die Farbschichten zusehends ab; noch vor dem Transport war eine Vorfestigung nötig, da zahlreiche Farbschollen abzuspringen drohten. In der Fläche wurden in sechs Festigungsschritten Befeuchtungen und Trocknungen so behutsam durchgeführt, dass die Klebkraft der Grundierung reaktiviert, ausreichende Haftung gewährleistet und die verbliebene Malschicht gesichert werden konnte. Es wurde dann das relativ neutrale Auslegen der beträchtlichen Fehlstellen vorgesehen. So wurde ein Auffüllen der Fehlstellen mit etwas hellerem und matterem Farbwert gewählt, der sich an die Originalfarbgebung anlehnt und doch sichtlich unterscheiden lässt. Dabei stand der liturgische Gebrauch des Bildes und seine Fernwirkung im Kirchenraum vor Augen.

Der in seinem kraftvollen Ausdruck wirklich beachtliche Christuskopf war zum Glück recht gut erhalten geblieben; nur einige zurückhaltende Retuschen im Bereich von Kinn und Barthaar waren nötig. Die Konturierung des Nimbus in Ultramarinblau wurde wieder hergestellt.

Mittlerweile ist das mit finanzieller Unterstützung der Kirchlichen Stiftung Kunst- und Kulturgut restaurierte Gemälde in den Kirchenraum zurückgekehrt und wird links am Übergang zur Apsis präsentiert.